Nach wie vor ist wissenschaftlich nicht belegt, dass ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) eine eigene, von anderen psychiatrischen Störungen abgrenzbare und sogar körperliche Krankheit ist. Es gibt bekanntlich für eine zuverlässige Diagnose keine spezifischen medizinischen Biomarker. Der Begriff ADHS steht viel eher für einen Sammeltopf vieler anderer psychiatrischer, psychosozialer und körperlicher Störungen mit derselben Symptomatik.
Um ADHS zu diagnostizieren, bedarf es deshalb einer sehr sorgfältigen, aufwändigen Ausschlussdiagnostik, um viele andere Störungen auszuschließen. In Forschung und Praxis geschieht dies allerdings fast nie. Vor allem psychosoziale ADHS-Ursachen werden meist völlig ignoriert, weil ADHS immer noch fälschlich als genetisch bedingt und vererbt gilt. Wenn es ADHS als eigene medizinische Entität aber gar nicht gibt, sparen sich viele Fachleute, die um die Fruchtlosigkeit dieses Unterfangens wissen, eine ADHS-Diagnostik sowieso.
Weil natürlich auch Erwachsene unkonzentriert, impulsiv und unruhig sein können, behauptet man, dass es auch bei ihnen die Krankheit ADHS gebe. Studien, die belegen wollen, bei wievielen ADHS-Kindern sich die angebliche Störung ins Erwachsenenalter fortpflanzt, schwanken zwischen 2,6 bis 80 %, also von Nichts bis Alles. Inzwischen weiß man, dass ADHS-Kinder und -Erwachsene völlig andere Symptome haben. Die Erwachsenen zeigen häufig Suchtmittelmissbrauch und viele andere psychiatrischen Probleme. Einige ADHS-Forscher vermuten deshalb, dass es sich bei den Erwachsenen um ganz andere Störungen handelt als bei den Kindern. Sie finden bei Erwachsenen mit ADHS-Diagnose noch bis zu 12 andere psychiatrische Störungen. Die Patienten haben also irgendetwas, aber keine ADHS.
Damit nicht genug: Weil man gefunden hatte, dass bis zu 90 % der Erwachsenen mit ADHS in ihrer Kindheit unauffällig waren und deshalb per definitionem gar keine ADHS haben konnten, kam man auf die geniale Idee, dass es auch eine „Late-On-ADHS“ geben müsse, sozusagen eine ADHS für Spätzünder, die erst als Erwachsene an ADHS erkranken. Studien, die dies belegen wollten, waren bisher aber methodisch so schwach und entbehrten jeder Ausschlussdiagnostik (wie nahezu alle ADHS-Studien), dass dieses Konstrukt bisher sehr umstritten ist.
In einer methodisch sorgfältigen Studie haben Shaikh I. Ahmad und Kollegen diese Fehler vermieden. Sie haben 87 Kinder, bei denen sie keine ADHS diagnostizieren konnten, prospektiv als Erwachsene nachuntersucht und gefunden, dass 17 von ihnen inzwischen andere psychiatrische Symptome aufwiesen, aber nach Ausschlussdiagnostik nur bei einer einzigen Person ADHS festgestellt wurde. Mit anderen Worten: 19,5 % der untersuchten Gruppe entwickelten unspezifische psychiatrische Störungen inklusive Symptomen von Unruhe, Impulsivität und Unaufmerksamkeit, aber nur 1,1 % der ursprünglich gesunden Kinder hatten als Erwachsene eine ADHS ohne gleichzeitige andere Störungen. Die Forscher kommentieren: „Es ist möglich, dass unkomplizierte Fälle von ADHS bei Erwachsenen auftreten, aber wir finden hier wenig unterstützende Beweise“.
Wenn man davon ausgeht, dass der eine ADHS-Fall der Studie bei einer noch sorgfältigeren Ausschlussdiagnostik auch noch ausgeschlossen hätte werden können, hätte es gar keine erwachsene Versuchsperson mit „Late-On-ADHS“ gegeben.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6610733/
https://adhskritik.com/2020/07/29/adhs-bei-erwachsenen/