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Schlechte Krippen erhöhen die Zahl von ADHS-Diagnosen

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Obwohl es mittlerweile rein zahlenmäßig genügend Kitaplätze in Deutschland gibt, ist die Qualität der Kinderbetreuung insgesamt ungenügend. Darauf weist auch der Münchner Kinderpsychiater Karl Heinz Brisch kürzlich wieder deutlich hin (1). Brisch hat die frühe Eltern-Kind-Bindung intensiv erforscht, auch zusammen mit dem kürzlich verstorbenen Pionier der Kinderheilkunde Prof. Dr. Theodor Hellbrügge, der stets vor zu früher und mangelhafter Fremdbetreuung von Kleinkindern in Kinderkrippen gewarnt hat.

Die Relation von Kindern, die eine Erzieherin in unseren Kitas zu betreuen hat, ist eines der wesentlichen strukturellen Qualitätsmerkmale der Kinderbetreuung. In Deutschland kommen derzeit auf eine Erzieherin im Durchschnitt 4,8 Babies und Kleinkinder von 0-3 Jahren, 5,2 Kinder im Alter von 0-8 Jahren oder 9,3 Kinder im Alter von 2-8 Jahren (2). Das ist in allen Fällen mangelhaft. Karl Heinz Brisch setzt im Einklang mit anderen Bindungsforschern einen Personalschlüssel für Säuglinge und Kinder bis zum 1. Geburtstag von 1:2, für ältere Kleinkinder von 1:3 voraus, damit die Kinder eine ungestörte Entwicklung nehmen können. Das ist in den allermeisten deutschen Kitas aber nicht gegeben (1).

Dass eine mangelhafte Krippenbetreuung bei Kleinkindern auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, später eine ADHS-Diagnose zu erhalten, konnten Babchishin u. a. kürzlich in einer prospektiven Studie eindrucksvoll belegen (3). Die kanadischen Forscher konnten zeigen, dass die Qualität der Krippenbetreuung im ersten Lebensjahr einen deutlichen Einfluss auf das Verhalten der Kinder im Alter von 6-7 Jahren hat. Mangelhafte Krippenbetreuung im ersten Lebensjahr stand in klarem Zusammenhang mit späterer Hyperaktivität und Unaufmerksamkeit, welche gemeinhin als Hauptsymptome einer vermeintlichen ADHS gelten.

Auch der als Psychotherapiegutachter tätige Psychoanalytiker Hans Hopf, Kuratoriumsmitglied der KONFERENZ ADHS, beobachtet eine Zunahme von Therapieanträgen für Kinder, die viel zu früh in die Krippe gekommen sind, oft im 4. Lebensmonat, so dass ihre frühen Abhängigkeitsbedürfnisse ungestillt geblieben sind. Oft haben sie Angststörungen, die Jungen erhalten die Diagnose „ADHS“ und bekommen Ritalin, obwohl dies besonders bei Angststörungen kontraindiziert ist (4).

Die Qualität der Kinderbetreuung in deutschen Kitas muss also deutlich verbessert werden, um spätere psychische Störungen unserer Kinder, die dann nicht selten zu einer ADHS-Diagnose führen, zu vermeiden. Ein erheblich verbesserter Personalschlüssel als strukturelles Qualitätsmerkmal ist dringend erforderlich.

Quellen:

1. Brinck, Christine: Das Krippenrisiko. DIE ZEIT 4/2014, S. 61 ff.
2. Statistisches Bundesamt https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Soziales/KinderJugendhilfe/KindertageseinrichtungenPersonalschluessel5225409129004.pdf?__blob=publicationFile
3. Babchishin, Lyzon K., Weegar, K., Romano, E.: Early Child Care Effects on Later Behavioral Outcomes Using a Canadian Nation-Wide Sample. J. Educational Developmental Psychology; Vol. 3, No. 2; 2013
4. Hopf, Hans: Persönliche Mitteilung 2014

Tags: Deutschland Eltern Kita Bindungsforschung Hyperaktivität Unaufmerksamkeit Jungs Hans Hopf

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