Fachbeiträge

Fachtexte zu «ADHS» von unseren Kuratoriumsmitgliedern

Erregte Zeiten, unaufmerksame und hyperaktive Kinder

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Psyche, 2008, 62(7), 693-713

Übersicht: Hyperaktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen nehmen in einer Zeit zu, in der sich die Lebensverhältnisse immer stärker be- schleunigen, Zeitverknappung und Reizüberflutung weite Teile des Alltagslebens bestimmen. Den sich schnell verändernden kulturellen Rahmenbedingungen wird nachgegangen und gezeigt, dass erstaunliche Analogien zwischen einer in wichtigen Segmenten erregten Gesellschaft und der inneren Problematik hyperaktiver und aufmerksamkeitsgestörter Kinder existieren. Aufgrund einer unzureichenden Symbolisierungsfähigkeit transformieren diese Kinder ihre inneren Spannungen in direkte Aktionen. Erregung ersetzt für sie Bedeutung, als Schutz vor psychisch nicht integrierbaren Ängsten und elementaren Gefühlen der inneren Leere. Auch wenn innere und äußere Realität unterschiedlichen Welten angehören und sich gradlinige Ableitungen verbieten, finden sich starke Argumente für die gesellschaftliche Be- dingtheit des hier diskutierten Phänomens. Sie sind mit den Erkenntnissen der neueren Hirnforschung gut vereinbar, stellen aber den Mainstream der ADHS-Forschung vor einige Probleme.

Schlüsselwörter: Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsstörungen, ADHS, Verhaltensstörungen, Kultureller Wandel, Erregte Gesellschaft, Symbolisierungsschwäche.

Einführung

Hyperaktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen sind in den letzten zwanzig Jahren zu einer Leitkategorie von Verhaltensauffälligkeiten und -störungen bei Kindern und Jugendlichen geworden, wobei die Diagnosehäufigkeit in- zwischen auch bei Erwachsenen ansteigt (Krause u. Krause, 2003; Schäfer u. Rüther, 2005; Schultz-Venrath, 2007). In der Nomenklatur von ICD-10 und DSM-IV erscheinen sie als Hyperkinetische Störungen bzw. Aufmerk- samkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen. Das Kürzel AD(H)S beinhaltet, dass Aufmerksamkeitsdefizitstörungen mit und ohne Hyperaktivität auftreten können. Zumeist sind sie jedoch gemeinsam anzutreffen. Symptomatisch zeichnen sie sich durch einen erheblichen Mangel an Konzentration und Ausdauer, den sprunghaften Wechsel von einer Tätigkeit zur nächsten, eine ungesteuerte und überschießende Aktivität aus.

In der Schule bereiten diese Kinder erhebliche Probleme. Hyperaktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen gehören gegenwärtig zu den größten Her- ausforderungen, denen sich Lehrerinnen und Lehrer stellen müssen (Baumgaertel, Wolraich u. Dietrich, 1995; Oelkers 2003). Nach repräsentativen Elternbefragungen sind 3 bis 10 % aller Kinder betroffen (Döpfner, Frölich u. Lehmkuhl, 2000, S. 4). Psychiatrisch gelten sie inzwischen als die häu- figste psychische Störung, die bei Kindern auftritt, mit Prävalenzraten zwi- schen 3 und 5 % (Eichenberg u. Porz, 2007, S. 173). Andere Angaben liegen erheblich höher: sie reichen in Deutschland nach DSM-IV bis zu einer Rate von 16 % (Riedesser, 2006, S. 112). Die Mehrzahl der einschlägig diagnos- tizierten Kinder erhält Stimulanzien (Barbaresie et al., 2002). »80 Millionen Kinder werden weltweit, so aktuelle Schätzungen, mit Amphetaminen be- handelt, [...] 400.000 davon in Deutschland« (Leuzinger-Bohleber, 2006, S. 11). Die Verschreibungshäufigkeit ist hierzulande in den letzten zwei Jahr- zehnten extrem gestiegen, selbst dann, wenn es Ende der 1980er noch eine medikamentöse Unterversorgung gegeben haben sollte (Amft, 2006; Bene- cke et al., 2007).

Vom Mainstream der Forschung wird das hyperkinetische Syndrom pri- mär als eine Hirnfunktionsstörung angesehen, die sich mit falschem Lernen verbunden hat. Eine multimodale Therapie gilt deshalb als Mittel der Wahl: Sie besteht aus Psychoedukation, der Vergabe von Psychostimulanzien und einer unmittelbar symptombezogenen Verhaltenstherapie. Darin sind sich die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (Leitlinien, 2003), der Vorstand der Bundesärztekammer (2006) und zahlreiche promi- nente Fachvertreter wie Brack und Warnke (2001), Remschmidt und Heiser (2004), Lehmkuhl und Döpfner (2006) einig. Psychoanalytische Zugänge gelten demgegenüber als unzeitgemäß und weitgehend nutzlos. Sie seien von geringem Erklärungswert und ermöglichen zudem keine effektiven Be- handlungen – so der allgemeine Tenor.

Die heutige Form der Nervosität

Die nervösen Kinder der Gegenwart reagieren auf Umweltreize in einer besonderen Intensität, fühlen sich kurzzeitig zu ihnen hingerissen und geben sie ebenso schnell wieder auf. Ihre Aufmerksamkeit zentriert sich, unter Ausschluss des Umfeldes, für wenige Augenblicke auf bestimmte Personen oder Segmente der sächlichen Außenwelt und wendet sich dann genauso umstandslos den nächsten Zielen zu. So, als habe das Vorausgehende nie existiert, als sei es nur möglich, im Nächsten, dem Neuen eine wirkliche Befriedigung zu finden. All dies geschieht in übersteigerter Lebensgeschwindigkeit, ohne Ruhe und innere Rast. Wichtiges kann dabei nicht von Un- wichtigem unterschieden werden, persönlich Bedeutungsvolles scheint es nicht zu geben. Die Einhaltung sozialer Regeln bereitet vor diesem Hintergrund erhebliche Probleme.

Nervosität war bereits für Freud ein wichtiges Thema, mit dem er sich u. a. in der Schrift über »Die ›kulturelle‹ Sexualmoral und die moderne Nervosität« ausführlich befasste. Er lässt dort zunächst eine Reihe von Autoren zu Wort kommen, die sich mit der »modernen, das heißt in unserer gegenwärtigen Gesellschaft sich rasch ausbreitenden Nervosität« (Freud, 1908, S. 144f.) beschäftigen und sie auf den allgemeinen gesellschaftlichen Wandel zurückführen. Das Nervensystem wird demnach durch eine vermehrte Konkurrenz und gesteigerte Ansprüche an die intellektuelle Leistungsfähigkeit überstrapaziert, aufgrund erregender Produktionen des Kulturbetriebes eben- so wie durch diverse Folgen des technischen Fortschnitts und einem unruhiger gewordenen, die Sinne überfordernden Alltagsleben. »das Leben in den großen Städten ist immer raffinierter und unruhiger geworden. [...] durch den ins Ungemessene gesteigerten Verkehr, durch die weltumspannenden Drahtnetze des Telegraphen und Telephons haben sich die Verhältnisse in Handel und Wandel total verändert: alles geht in Hast und Aufregung vor sich, die Nacht wird zum Reisen, der Tag für die Geschäfte benützt, selbst die ›Erholungsreisen‹ werden zu Strapazen für das Nervensystem« (Freud, 1908, S. 146).

Freud ist dieser Sichtweise gegenüber nicht grundsätzlich abgeneigt. Er erkennt die hohen psychischen Anforderungen, die das Leben in der Kultur stellt, durchaus an, beklagt jedoch, dass die vorgebrachten Überlegungen »gerade das bedeutsamste der ätiologisch wirksamen Momente außer acht lassen« und fährt fort: »fasst [man] die eigentlichen Formen des nervösen Krankseins ins Auge, so reduziert sich der schädigende Einfluss der Kultur im Wesentlichen auf die schädliche Unterdrückung des Sexuallebens der Kulturvölker (oder Schichten) durch die bei ihnen herrschende ›kulturelle‹ Sexualmoral« (Freud, 1908, S. 148). Speziell bei Frauen und insbesondere in den Aktualneurosen, allem voran der Neurastenie, treten die Folgen der sexuellen Unterdrückung besonders unverstellt hervor. Symptomatisch wird die Neurasthenie als physische Müdigkeit beschrieben, verbunden mit diversen körperlichen Störungen, die zu einem inneren Rückzug aus dem Leben führen. Ein Nachlassen des sexuellen Interesses geht damit einher.

Die heutige Form der Nervosität hat sich, bei aller Unruhe und Getriebenheit, die auch bei Erwachsenen anzutreffen ist, (klinisch) auf Kinder und Jugendliche verschoben. Sie betrifft stärker das männliche als das weibliche Geschlecht. Ihr Erscheinungsbild ist gänzlich anders gelagert als zu Freuds Zeiten. Von Zurückgezogenheit und Lähmung kann bei den hyperkinetischen Kindern nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Sie transportieren ihre Spannungen voller Aktivität lärmend nach außen, sind getrieben und ewig auf dem Sprung, ohne dass hemmende Kräfte sie bremsen. Ein inneres Ver- bot, das sie übertreten, ist nicht erkennbar. Und auch kein umschreibbarer (sexueller) Konflikt, an dem sie gescheitert sind. Von einer Trieblockerung lässt sich deshalb wohl kaum noch eine befreiende Wirkung erwarten – im Gegensatz zu den Patientinnen (und Patienten) der vorigen Jahrhundertwende.

Auch haben sich die äußeren Rahmenbedingungen an gewichtigen Punkten gewandelt. Die Reizflut, die auf den Einzelnen einströmt, tritt in einer so verdichteten Form auf, wie sie Freud vermutlich kaum für möglich gehalten hätte. Zwar kam es bereits in seiner Zeit zu einer bemerkenswerten Beschleunigung der Lebensverhältnisse und einem zunehmend hastigeren Alltagsleben, im Vergleich zu den gegenwärtigen Bedingungen muten sie je- doch moderat an. Vor allem mediale Reize spielen heute eine immense Rolle. Sie dringen immer rücksichtsloser in unterschiedlichste Lebensbereiche ein. Eine überbordende Reiz- und Informationsflut rückt zunehmend näher an die Person heran und lässt kaum noch ein Entrinnen zu. Dadurch ist eine neue Qualität der Belastung eingetreten. Die persönlichen Rückzugsräume haben sich radikal verengt, allerdings nicht nur aus äußeren Gründen, wie noch zu zeigen sein wird.

Offensichtlich mehren sich Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen in einer Zeit, in der sich die Lebensverhältnisse noch einmal rasant beschleunigen, die Reizintensität und -dichte des Alltagslebens in einem bisher unbekanntem Ausmaß zunimmt und zudem sicher geglaubte haltende Strukturen ins Wanken geraten. Insofern bietet es sich an, der Beziehung zwischen dem bisher nur grob skizzierten kulturellen Wandel und dem massiven Anwachsen von Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen genauer nachzugehen. Es sind – wie begründet angenommen werden darf – Lebenserfahrungen in besonderen Zeitumständen, auf die bestimmte Kinder in einer solchen Intensität reagieren, dass ihr übersteigertes Verhalten am Ende eine krankhafte Ausprägung annimmt. Dabei ist es nahe liegend, dass die heutige Form der Nervosität, repräsentiert im hyperkinetischen Syndrom, ei- ner anderen inneren Dynamik und Strukturbildung folgt als die Nervosität früherer Zeiten.

Erregte Zeiten

An rezenten Zeitdiagnosen, die sich dem gesellschaftlichen und kulturellen Wandel widmen, mangelt es wahrlich nicht. Zur Risikogesellschaft (Beck, 1986) und der Multioptionsgesellschaft (Gross, 1994) gesellt sich die Erlebnisgesellschaft (Schulze, 1992). Der flexible Mensch (Sennett, 1998), der unter einem Verlust an Langfristigkeit und Verlässlichkeit leidet, steht neben den typisierten Vertretern einer Autistischen Gesellschaft (Lempp, 1996), in der die Verantwortlichkeit für andere verloren gegangen ist. Von einer unspezifisch gefassten Postmoderne ist ebenso die Rede wie von der Wissens- oder der Informationsgesellschaft. Alle diese Diagnosen haben sich eine anspruchsvollen Aufgabe gestellt: Sie wollen aus teils unterschied- licher, mitunter aber auch recht nahe beieinander liegender Perspektive den Kern gesellschaftlicher Entwicklungen erfassen und das entscheidend Neue herausstellen, das die jeweilige Zeit kennzeichnet. Ihrem Wesen nach sind sie großflächig angelegt, auf erheblichem Abstraktionsniveau angesiedelt und von einer Leitidee durchdrungen, die anhand ausgewählter Themen- komplexe erläutert wird.

Wie kreativ und anregend sie im Einzelnen auch sein mögen: Die Schwäche dieser Zeitdiagnosen liegt darin, dass sie sich allesamt »schnell als Produkte einer Überverallgemeinerung von gesellschaftlichen Entwicklungen erwiesen [haben], die nur eine beschränkte Reichweite, sei es in historischer, sei es in sozialer Hinsicht, besitzen« (Honneth, 1995, S. 7). Ihnen muss des- halb, so Honneth (1995, S. 8), »ein erhebliches Maß an Skepsis entgegengebracht werden [...]« Bei genauer Betrachtung beschreiben und erklären sie nur einzelne Aspekte der gesellschaftlichen Entwicklung und formulieren Aussagen, die allenfalls für Teilpopulationen und bestimmte soziale Milieus zutreffen. Einer umfassenden empirischen Prüfung halten diese Zeitdiagno- sen kaum stand, dazu ist ihr Geltungsbereich zu weit und die Realität zu sperrig, als dass sie sich über einen einzigen Rahmen spannen ließen. Ihr plakativer Gebrauch sollte zur Achtsamkeit gemahnen und den Blick dafür schärfen, dass Verknüpfungen häufig allzu sorglos hergestellt werden.

Eine Annäherung an die gesellschaftliche und kulturelle Eingebundenheit des hyperkinetischen Syndroms muss deshalb mit einiger Vorsicht erfolgen. Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen ist dementsprechend keine der genannten globalen Zeitdiagnosen, auch soll ihnen keine weitere hinzugefügt werden. Im Mittelpunkt stehen vielmehr Schriften, die sich mit einem Segment der kulturellen Veränderung beschäftigten: Den Folgen, die sich aus der allgemeinen Beschleunigung der Lebensverhältnisse ergeben und insbesondere Einflüsse, die daraus resultieren, dass der Medienkonsum und mediale Kommunikationsprozesse in den letzten zwei Dekaden rasant zugenommen haben. Einen wichtigen Beitrag dazu liefert Türcke (2002). Der Ti- tel seines Buches, die Erregte Gesellschaft mit dem Untertitel Philosophie der Sensation, erinnert zwar ebenfalls an eine Zeitdiagnose. Genau diese will der Autor aber nicht entwerfen: Der Begriff der Sensationsgesellschaft »soll hier [...] nicht den Eintritt der Menschheit in eine neue Epoche suggerieren, so wie es ›postindustrielle‹, ›postmoderne‹, ›Risiko- oder Informationsgesellschaft‹ taten – lauter aufmerksamkeitserheischende, irreführende Schlagworte« (Türcke, 2002, S. 8). Es geht ihm hier vielmehr darum, dass eine bestimmte, kulturell bedeutsame Entwicklungslinie möglichst genau beschrieben und analysiert wird.

Für die entscheidende Größe, die das Alltagsleben nachdrücklich prägt, hält Türcke die immens ausgeweiteten Medieneinflüsse und eine zunehmende Dominanz medialer Kommunikation. Ohne Anspruch an eine neue Zeitdiagnose zeigt er, wie sich eine langwährende Entwicklung in den letzten Jahrzehnten verdichtet und folgenschwer zugespitzt hat. Sie führt, so seine These, zu radikal veränderten Maßstäben des Wahrnehmens und Handelns. Wahrnehmungsprozesse und das vorausgehende, begleitende  oder sich anschließende Verhalten werden so ausgerichtet, dass eine möglichst hohe Sinnesreizung erzielt wird und ein permanentes Gefühl der Erregung entsteht. „Sensationen stehen im Begriff, zu Orientierungsmarken und Pulsschlägen des gesamten sozialen Lebens zu werden“ (Türcke, 2002, S. 11). Sensationell ist das, was Aufsehen erregt.

Die fast allgegenwärtige mediale Präsenz durchzieht den öffentlichen wie privaten Raum. Optische Werbung, Schriftzüge, laufende Monitore, Musik und sprachliche Lautbeschallung sowie Handy- und MP-3-Benutzung sind auf der Straße, in Einkaufszentren, Kneipen, Bars und Restaurants, Bahnhöfen und Zügen zu einer ständigen Begleiterscheinung geworden (Lütkehaus, 2002). Im privaten Raum nimmt der Gebrauch vielfältiger Medien inzwischen einen gewichtigen Platz ein, bei Erwachsenen ebenso wie bei Kin- dern. »American children spend more time watching television and videotapes and playing videogames than doing anything else except sleeping« (Robinson, 1999, zit. nach Spitzer, 2007, S. 4). Die Bindung an Medien ist so- mit zu einem über alle anderen Tätigkeiten dominierenden Teil des Lebens geworden. Diese Entwicklung beginnt lebensgeschichtlich bereits früh: »In den USA verbringen bereits die Zweijährigen täglich zwei Stunden vor einem Bildschirm [...], und auch hierzulande geht der Trend eindeutig in diese Richtung« (Spitzer, 2007, S. 2).

Computer und Handys haben für das Zu- und Miteinander weitreichende Konsequenzen. Zu jeder Tageszeit und an jedem Ort können Nachrichten gesendet und empfangen werden. Der Kommunikationsfluss beschleunigt sich dadurch extrem, was nicht ohne Einfluss auf den Inhalt und die Qualität der verbreiteten Daten bleibt. Sie werden kürzer, bruchstückhafter, flüchtiger und vor allem kurzlebiger. Die Kontakthäufigkeit steigt, bei schnellem Partnerwechsel und reduziertem Zeitaufwand, der dem (oft unbekannt bleibenden) Einzelnem eingeräumt wird. Die Partizipation an solchen Kommunikationsprozessen wird zum Gebot der Stunde. In Bewegung zu sein, erhält im beruflichen wie im privaten Leben oberste Priorität. Eine gehetzte Lebensform, Atem- und Rastlosigkeit mit einem allgemeinen, oft ungerichteten Beschäftigungszwang sind die Folge (Rosa, 2005). Wichtige Segmente des Lebens, so Balzer (2001), muten inzwischen wie »Video-Clips« an, deren Inhalte ebenso rasant wie unvorhersehbar wechseln. Es scheint, als wer- de nichts so sehr gefürchtet wie der Stillstand: »Überall ist Aufbruch und nirgends ein Bleiben« (Bergmann u. Hüther, 2006, 43). Dieser Entwicklung kann sich der Einzelne nur schwerlich widersetzen. Denn nur wer an ihr teilhat, kann sich auf der Höhe der Zeit wähnen, darf sich bedeutungsvoll vorkommen und in elementarer Weise zugehörig fühlen. Dazu muss er ständig erreich- und verfügbar sein und vor allem über die nicht nachlassende Bereitschaft verfügen, möglichst eindrücklich auf sich aufmerksam zu machen. Nur so hat der Einzelne eine Chance, wahrgenommen zu werden. Wer nicht auf sich aufmerksam macht, geht in der Informationsflut verloren, er wird übersehen.

Das ganze Ausmaß der Veränderungen tritt besonders eindrucksvoll im historischen Vergleich hervor, durch einen distanzierten Blick auf Zeiten, die noch nicht lange vergangen sind. Das soll an zwei weiteren wichtigen Segmenten des Alltagslebens illustriert werden, der Gestaltung von Hör-, Bild- und Printmedien sowie einer extensiv betriebenen Werbung, die übrigens zu einem Fünftel an Kinder adressiert ist (Spitzer, 2007). Im Laufe der letzten zwei bis drei Jahrzehnte sind sie, auch bedingt durch die gestiegene Konkurrenz untereinander, immer lärmender, distanzloser und bedrängender geworden. Die Botschaften, die sie verbreiten, ringen zunehmend stärker darum, wie sie sich machtvoll einprägen und dadurch die größte Aufmerksamkeit erzielen können. Die Mittel dazu sind ebenso einfach wie wirkungsmächtig: Eine weitgehende Sexualisierung unterschiedlichster Themen, der Einsatz schockierender Effekte, das planmäßige Verletzen bisher sicher geglaubter Intimitäts- und Schamgrenzen gehören dazu. Diese Provokationen und Grenzüberschreitungen dienen einem einzigen Zweck, sie sollen möglichst reflexhaft eine unbedingte Aufmerksamkeit erzwingen.

Dies gilt zunehmend auch für den Funk, der an dem Verlust längerer Wortbeiträge leidet, vor allem aber für die Gestaltung von Film- und Fernsehbeiträgen. Das Ringen um Aufmerksamkeit ist auch hier zu einem zentralen Anliegen geworden. Einige wichtige Parameter dafür sind der schnelle, oft abrupte Wechsel von Themen und Szenen, die Geschwindigkeit und Intensität der ausgestrahlten Bilder, eine mitunter verwirrende Informationsdichte, etwa dann, wenn Nachrichtensendungen des Fernsehens mit mehreren laufenden Textspalten unterlegt sind. Die Programmgestaltung des Fernsehens hat sich, wie Türcke (2002) darlegt, längst darauf eingestellt, dass Sendungen nicht mehr zu Ende gesehen werden. Sie müssen deshalb eine Vielzahl spannender, besser: erregender und anspannender Passagen aufweisen, damit die Zuschauer wenigstens eine Zeit lang gebannt werden. Und Bergmann (2000, S. 204) zeigt an einer Reihe von Beispielen, dass die besonders erfolgreichen »großen Hollywood-Produktionen [...] überhaupt keine Geschichten im klassischen Sinn, mit folgerichtigem Ablauf, Anfang und Ende« mehr erzählen. Die Effekte der Bilder stehen im Mittelpunkt, ihr Überraschungsmoment ist zur entscheidenden Größe geworden. Die »Dramaturgie hat nur eine Aufgabe:«, so fährt Bergmann (2000, S. 204) fort,

»den Zuschauer zu überwältigen«. Vor allem junge Menschen könnten anders nicht mehr erreicht werden. »Kein auf Erfolg bedachter Produzent kann sich ein Drehbuch mit einer durchgeführten Geschichte, biographischer Folgerichtigkeit, einem Drama um Charaktere, Stolz, Gewissen und Mut mehr leisten« (Bergmann, 2000, S. 209f). Das mag ein wenig übertrieben klingen, bezeichnet aber dennoch einen wichtigen Aspekt der kulturellen Entwicklung.

Angesichts der Fülle der verbreiteten Informationen und ihrer Darreichungsform kann von einer längerfristigen Wirkung nicht ausgegangen wer- den. Sie wird aufgrund einer realistischen Betrachtung der Gegebenheiten vielfach auch gar nicht mehr angestrebt. Denn es ist bekannt, dass die Speicherungs- und Erinnerungsfähigkeit der Konsumenten begrenzt ist und die aufgenommen Informationen größtenteils innerhalb kürzester Zeit dem Vergessen anheim fallen. Ihre Wirkung währt allenfalls so lange, bis andere, letztlich ebenso wenig bedeutsame Eindrücke an ihre Stelle getreten sind. Umso entscheidender ist es deshalb im Kampf um Werbeetats, Auflagen und Quoten geworden, dass zumindest ein Teilsieg in der Aufmerksamkeitsschlacht gelingt. Es soll hingesehen oder hingehört werden, das ist das oberste Ziel, und sei es auch nur für wenige Augenblicke. Dazu werden sensationelle Botschaften benötigt, die in dem Einzelnen ein so hohes Erregungsniveau erzeugen, dass er zumindest punktuell gefesselt wird und für eine kurze Zeit aufmerksam bleibt.

Damit ist eine wichtige Seite beschrieben: In einer in ihrem kulturellen Grundumsatz beschleunigten, stärker als in früheren Zeiten auf den Augen- blick ausgerichteten Welt nehmen Medieneinflüsse und eine mediale Kommunikation einen zunehmend breiteren Raum ein. Die Macht, die sie ausüben, ist in mehrerlei Hinsicht beträchtlich: Die von den Medien vermittelten Inhalte erhalten eine bisher unerreichte Deutungshoheit und, das ist hier noch wichtiger, die mediale Kommunikation ändert die Wahrnehmung und Informationsverarbeitung des Einzelnen beträchtlich. Die aufdringliche Reizflut rückt zunehmend näher an die Person heran, bedrängt sie durch ihre Geschwindigkeit und Impulsdichte, stellt ihre Grenzen infrage und durchlöchert sie mitunter so stark, dass ihr kaum etwas Wirkungsvolles entgegen gesetzt werden kann. Sie bleibt, wie noch im Einzelnen gezeigt wird, kein äußerlicher Faktor, über den der Einzelne nach eigenem Belieben verfügen kann.

Doch das ist nur die eine Seite, ein Aspekt, der der Komplexität der Gegebenheiten allein nicht gerecht wird. Die viel beklagte Reizflut wird nicht nur passiv erfahren, mitunter auch erlitten, sondern vielfach aktiv herge- stellt. Daran lassen zahlreiche Beobachtungen des Alltagslebens keinen Zweifel. Die ständige Sende- und Empfangsbereitschaft, von der Türcke spricht, mag vermeintlichen oder wirklichen beruflichen Notwendigkeiten entsprechen. Sie findet sich aber gleichermaßen im privaten Bereich wieder, dort, wo äußere Zwänge weniger offensichtlich sind und freier disponiert werden kann. Unruhe und Zeitknappheit sind auch hier eingezogen. Auch hier wird der Wahrnehmungsapparat mit kräftiger Nahrung gefüttert: Durch den extensiven Gebrauch von Handys und Computern, Playstations und MP3-Spielern sowie einem ausgedehnten Fernsehkonsum, bei dem erregen- de Sensationen einen ebenso prominenten Platz einnehmen wie in vielen Film- und Musikdarbietungen. Das Zappen durch die Fernsehsender stellt ein besonders eindrucksvolles Beispiel für eine intensive und getriebene Reizsuche dar, die der Eigenstimulation dient. All dies ist kaum vorstellbar, ohne dass es auch inneren Bedürfnissen und Notwendigkeiten entspricht.

Überstimulation, Reizverarbeitung und intrapsychischer Niederschlag

Die soeben beschriebene Entwicklung hat für die Wahrnehmung und Verarbeitung von Reizen zahlreiche Folgen. Sie fördert regressive Prozesse, stärkt also lebensgeschichtlich frühe Empfindungen und drängt reifere Formen des Erlebens zurück, kann aber auch dazu beitragen, dass psychische Strukturen gar nicht erst aufgebaut werden. Vor allem dann, wenn Kinder bereits in einem sehr frühen Alter mit einer erheblichen Reizflut in Beziehung kommen und sie die umgebende Umwelt als überfordernd, wenig fassbar und kaum verlässlich erleben. Die Untersuchungen Spitzers (2007) zum Fernsehkon- sum sind ein Indikator dafür, dass solche Prozesse früher eintreten und nachhaltiger wirken können als gemeinhin angenommen wird.

Im Allgemeinen ist damit zu rechnen, dass der ständige Verarbeitungszwang, der mit einer stetigen Außenorientierung einhergeht, zu einer Schwächung der Wahrnehmungskraft führt. Die Flut der Informationen, ihre hohe Geschwindigkeit und rasche Abfolge machen es bereits nach kurzer Zeit so gut wie unmöglich, sich auf einzelne Inhalte einzulassen. Denn es bedarf eines hohen, längerfristig kaum leistbaren Kraftaufwandes, damit der Reizflut eigene Fixpunkte entgegen gesetzt werden können. Die äußeren Reize entziehen sich in ihrer großen Mehrzahl, wenn nicht sogar vollständig einer mehr als nur auf die Unmittelbarkeit bezogenen Sinnkonstruktion. Mit innerer Bedeutung, die über den Augenblick hinaus wirkt, können sie kaum noch versehen werden. Es dominieren sensorische Erfahrungsoberflächen, die keine gehaltvollen inneren Spuren hinterlassen. Erinnerungen werden zu einer zu vernachlässigbaren Kategorie. Aufgrund geschwächter innerer Bezugspunkte gerät auch die innere Zeitdimension in Gefahr. Sie droht zu verschwimmen, so dass ein sicheres Gefühl für Vergangenes und Zukünftiges verloren geht. Gleiches gilt, insbesondere bei intensivem Gebrauch von Computerspielen, für eine stabile psychische Repräsentation des Raumes (Bergmann u. Hüther, 2006). Körperliche Erfahrungen, die für verlässliche Bezugspunkte sorgen können, sind hierbei weitestgehend ausgespart. Eindrucksvolle Belege dafür finden sich bei Ute Benz (2007).

Die (weitgehende) Bedeutungslosigkeit des Erfahrenen ist kein Phänomen, das den Einzelnen unbeteiligt und unbeeindruckt lässt. Zum einen ist er an die mit Reizen übersäte Umwelt gebunden und kann sich von ihr nicht lösen. Andererseits entstehen durch die ausbleibende Befriedigung Gefühle der inneren Leere und Sinnlosigkeit, Taubheit und Ermüdung. Sie führen, in kompensatorischer Absicht, zu einer intensivierten Reizsuche. In der Hoffnung, dass ein bedeutungsvolles Erleben doch noch möglich wird. Die nahe liegende und beobachtbare Konsequenz ist, dass sich »ein Kreislauf installiert, demzufolge gesteigertes Ablenkungsbedürfnis und zunehmender Sensibilitätsverlust sich wechselseitig verstärken. Der Bedarf an und nach Erregung wüchse« (Däuker, 2005, S. 35). Nur durch eine Dosissteigerung, infolge eines immer stärker gewürzten Erlebens, kann das ersehnte Ziel doch noch erreicht werden – nämlich etwas wirklich Beeindruckendes, Bedeuten- des und Nachhaltiges zu erfahren. Das zumindest ist die latente Hoffnung, der verborgene Sinn, der hinter einer aktiven, unruhigen und getriebenen Reizsuche steht. Erfüllen wird sie sich so jedoch nicht.

Psychische Prozesse sind, wie Balzer (2001, 2004) ausführlich darstellt, in basaler Weise bedroht, wenn Erfahrenes nur noch Oberflächenspuren hinterlässt. Die sensorische Reizung steht dann an erster Stelle, das Erlebte verbleibt in wichtigen Bereichen unzugänglich, es findet keine Sprache. Es verharrt unterhalb der Ebene einer symbolischen Repräsentation oder tritt nur noch punktuell in Erscheinung. Das Denken ist damit gefährdet: Erregung ersetzt Bedeutung, eine reflexive Selbstbesinnung tritt immer weiter in den Hintergrund. Die »Lust am Nichtdenken« (Balzer, 2004) obsiegt: Als Folge allgemein beschleunigter und verflüchtigter Lebensverhältnisse sowie einer ebenso einflussreichen wie sensationsfixierten Medienwirklichkeit, die im Kampf um Aufmerksamkeit zuvorderst auf Erregung setzt. Balzer hält die- sen Befund für schwerwiegend, keinesfalls nur für eine unbedeutende Randerscheinung des rezenten gesellschaftlichen und kulturellen Wandels. Er fragt deshalb »nach den Überlebenschancen des psychischen Raums, wie wir ihn bisher konzeptualisieren [...]« und fährt fort: »Es könnte sein, dass die zeitgenössische sensorische Überflutung und die vernünftig nicht bestreitbaren Suchttendenzen unserer Kultur dahin treiben, das Ich (und mit ihm das Über-Ich) wieder in ›Oberflächenwesen‹ zu verwandeln, konfusionelle Ängste zu schüren, dem Ich Gewalt anzutun und Gewalt zu entbinden. Dass das Fallen von Grenzen auf allen möglichen Ebenen zu Grenzfällen führen könnte, ist womöglich mehr als ein Wortspiel« (Balzers, 2001, S. 369).

Den Rahmen dafür bildet ein kultureller Hintergrund, in dem Unmittelbarkeit und Permissivität zunehmend an Einfluss gewinnen. Eine schnelle und umfassende Bedürfnisbefriedigung ist zu einem zeittypischen Leitmotiv des Lebens geworden. Das Versprechen fast grenzenloser Möglichkeiten steht im Raum, fast jedem Menschen sollen in fast jeder Situation alle Türen offen stehen. Triebaufschub, Versagungen und Grenzen gelten als Ärgernis- se, die nur im Notfall akzeptiert werden müssen. Die Zahl der Tabus wird auf das unmittelbar Notwendige reduziert. Dadurch schwindet aber zugleich ein haltender Rahmen, es gehen Grenzen und Begrenzungen verloren, die trotz der mit ihnen verbundenen Einengungen Sicherheit vermitteln können. Und auch der objektale Gehalt persönlicher Beziehungen schwächt sich ab, wenn das Gesetz an Kraft einbüßt und ein begrenzender Anderer immer stärker in Legitimationsprobleme gerät. Wo ein klares Nein fehlt und des- halb Abgrenzungen unterbleiben, verliert das Gegenüber an Bedeutung und innerem Gewicht. Es bleibt vergleichsweise blass, wird beliebiger und aus- tauschbarer (Ahrbeck, 2004; Raffy, 2004). Diese Entwicklung währt bereits einige Zeit, speist sich aus unterschiedlichen Quellen und findet gegenwärtig eine weitere Zuspitzung: »Der sensorische Kurzschluss mit dem Konkretistischen und die Zirkularität der Erregung treten an die Stelle von Verinnerlichung und Austausch mit Objekten. Die aufdringliche Präsenz der Bilder, Reize, Informationen und dinglichen Objekte verengt jeden Zwischenraum, der wirksame Verneinung benötigt und bewirkt dadurch eine flächendeckende Schrumpfung des Übergangsraumes, in dem ja paradoxerweise Getrenntheit und sinnhafte Bezogenheit zusammenfallen« (Balzer, 2001, S. 373). Illusion und Realität können dadurch intrapsychisch in einer gefährlichen Nähe verharren.

Die psychische Entwicklung ist jedoch auf einen Raum angewiesen, der gehaltvolle Objektbeziehungen enthält und dadurch ein angstfreies Getrenntsein bei verbleibender innerer Bezogenheit auf die Objekte ermöglicht. Dazu bedarf es ausreichend Zeit, der Möglichkeit zu vielfältigen Wiederholungen. und des Schutzes vor einer Reizflut, die sich als überfordernd und schädigend erweist. Erst dann kann aus dem Sensorischem, aus zunächst bedeutungslosen Signalen, ein bedeutungsvolles Erleben werden. Die Entwicklung von Symbolen ist ein entscheidender Indikator für eine solche Transformation. Sie zeugt davon, dass eine innere Ordnung entsteht, die dem Kind Sicherheit und Halt gibt. Dieser Prozess lässt sich nicht beliebig verkürzen und beschleunigen. Er setzt voraus, dass das Kind seine ungeteilte Aufmerksamkeit immer wieder an ähnliche, nur geringfügig modulierte Erfahrungen binden kann. In einer affektiv angereicherten Wiederholung entdeckt es seinen eigenen Fortschritt, in dem es Bekanntes wieder erkennt und mit Unbekannten abzugleichen vermag. Das Unbekannte verliert Schritt für Schritt, mit steigender innerer Sicherheit, an Befremden, mitunter auch an Angst und Schrecken. Anderssein und Getrenntheit können besser toleriert werden: Aufgrund von inneren Repräsentanzen, die Differenzerfahrungen so zulassen, dass eine innere Verbindung zu den Objekten nicht verloren geht. Das ist ein Grundgesetz des individuellen Seelenlebens und zugleich mehr als das. Auch die Kulturentwicklung hat ihren Ursprung in einer verlässlichen Wiederholung. Darauf hat Türcke (2002), unter anderem im Rückgriff auf Freud, kürzlich noch einmal nachdrücklich hingewiesen.

Hyperaktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen: Psychoanalytische Beiträge

 In der einschlägigen Fachliteratur fanden Hyperaktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen über längere Zeit nur relativ wenig Beachtung. Mit einem Schwerpunktheft zum hyperkinetischen Syndrom und seinen Hintergründen eröffnete die „Kinderanalyse“ (1993) eine grundlegende Diskussion, die jedoch eher zögerlich aufgenommen wurde. Die ersten umfassenderen Arbeiten erschienen erst nach der Jahrtausendwende (Passolt, 2001; Amft, Gerspach u. Mattner, 2002; Bovensiepen, Hopf u. Molitor, 2002). In jüngster Zeit mehren sich die fachspezifischen Publikationen (Leuzinger- Bohleber, Brandl u. Hüther, 2006; Heinemann u. Hopf, 2006; Ahrbeck, 2007; Warrlich u. Reinke, 2007).

Ein Grund für diese lange Anlaufphase mag darin liegen, dass die breit gestreuten Symptome kindlicher Nervosität und Unruhe nicht zwangsläufig mit einer eigenständigen Störungskategorie führen müssen. Die in ICD-10 und DSM-IV enthaltenen Leitsymptome verbleiben auf der deskriptiven Ebene. Sie sind mit einem Störungsverständnis verbunden, das sich auf die symptomatische Oberfläche beschränkt und ohne Beachtung innerer Konflikte und struktureller Besonderheiten auskommt. Die genaue Betrachtung eben dieser Faktoren öffnet jedoch das Feld, so dass ganz unterschiedlich gelagerte Diagnosen in Betracht kommen. Insofern verwundert es nicht, dass eine ausgeprägte kindliche Unruhe und Aufmerksamkeitsschwäche mitunter auch auf neurotischen Konfliktlagen zurückgeführt wird.

Mit der allgemeinen Ausbreitung der Diagnose ADHS nimmt die Zahl der psychoanalytischen Fallberichte zu, die sich explizit mit Hyperaktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen beschäftigen. An ihnen orientieren sich die folgenden Überlegungen in erster Linie. In der Regel gehen diese Fallberichte von erheblichen, ins Auge springenden Verhaltensauffälligkeiten aus. Sie sind oft so gravierend, dass sie die Aufmerksamkeit des Gegenübers fast vollständig binden und den analytischen Raum beherrschen. Als eine zwar massive, aber im Prinzip symbolisierbare Abwehrformation eines verdrängten inneren Konflikts erscheinen sie mehrheitlich nicht. Vielmehr verweisen zahlreiche Autoren auf einen grundlegenden strukturellen Mangel.

Sie sehen im Verhalten hyperaktiver und aufmerksamkeitsgestörter Kin- der vor allem eine Flucht in die Aktion, die auf einer kaum erträglichen, an- ders nicht zu bindenden inneren Spannung beruht. Die überschießende Mo- torik und ständig wechselnde Aufmerksamkeit sind demzufolge eine beson- dere Form des enactments, eine bild- und körpersprachliche Ausdrucksform, in der etwas mitgeteilt wird, was in symbolischer Form nicht vermittelt wer- den kann. Basquin (2002) spricht deshalb von einem Zeichen, nicht von ei- nem Symptom. Das Zeichen ist ein unmittelbarer Ausdruck des Körpers, es bleibt im Körperlichen gefangen. Darin unterscheidet es sich von einem Symptom, das bereits die Folge einer psychischen Verarbeitung ist. Körper- liche Sensationen bilden bei schwer hyperaktiven und aufmerksamkeitge- störten Kindern den primären Ort ihres Erlebens (Jany, 2002). »Emotionen aller Art [scheinen] direkt – als gebe es einen Kurzschluss zwischen beiden Systemen – in das motorische System« überzugehen (Schaff, 2001, S. 546). Zu ihrem Innenleben finden diese Kinder deshalb keinen Zugang. Was sich in ihnen bewegt, bleibt stumm. Es kann motorisch nach außen getragen, nicht aber in Sprache übersetzt werden. Ein haltender Apparat, der Gefühlen und Gedanken eine Struktur gibt, fehlt weitgehend. Und damit auch eine in- nere Reizschranke, die vor andrängenden inneren und äußeren Anforderun- gen schützt.

Ein hervorstechendes Merkmal von Kindern mit ADHS ist es, dass sie unter basalen Ängsten und einem Gefühl der elementaren Bedrohtheit leiden. Israel (2003) betont die Bedeutung früher Ängste, die mit Hilfe der primären Objektbeziehungen nicht ausreichend gebunden werden konnten. Sie erweisen sich als so bedrohlich, dass sie dem Bewusstsein entzogen werden und fortan ein unintegriertes Eigenleben führen. In der inneren Objektwelt kann deshalb keine Beruhigung eintreten. Auch Garstick-Straumann  (2002)  geht  von  einem  unzureichenden  Gehaltenwerden  und mangelndem Containment aus. Die überschießende Lokomotion und innere Unruhe hyperaktiver Kinder versteht sie als Ausdruck eines weitreichenden Bedrohtheitsgefühls, einer unerträglichen Existenzangst. In Ermangelung von Symbolisierungsmöglichkeiten bleibt die körperliche Aktion als letzter Ausweg übrig, um die Angst vor Fragmentierung zu bändigen, als ein »diffuses Aufbäumen gegen das Ausgelöschtwerden« (Garstick-Straumann, 2002, S. 39). Sie sichert dem Kind eine unmittelbar eindrückliche, betäubende und damit entlastende Präsenz. Wie eine Plombe, die einen Schaden notdürftig überdeckt, aber zugleich ein Fremdkörper bleibt, der den Zugang zur eigenen Person und ihren Affekten versperrt.

Dahinter versteckt sich, aufgrund der Ungerichtetheit kaum erkennbar, eine Suchhaltung des Kindes. Mit dem Ziel, das vermisste haltende und sichernde Objekt mit einer extrem gesteigerte Aktivität doch noch zu finden. Doch diese Hoffnung erweist sich als vergeblich. Sie scheitert in doppelter Hinsicht: An der Vielfalt der hergestellten Reize und der Flüchtigkeit der er- zeugten Begegnungen und auch daran, dass das Kind über keine aufnahmefähigen inneren Strukturen verfügt. Auf eine intensive emotionale Begegnung können sich diese Kinder nicht einlassen. Denn dazu bedarf es einer inneren Ruhe und Aufnahmebereitschaft, die es ermöglicht, dass der Andere an Bedeutung gewinnt. Die damit verbundenen Gefühle sind für hyperaktive Kinder jedoch unerträglich. Ruhe und Stillstand bedeuten für sie eine über- mächtige Gefahr, die zu einem ständigen Ausweichen zwingt. »Es ist, als ob ungeheure Kräfte in das Fliehen fließen, so als müssten [sie sich] auf diese Weise ihrer Existenz versichern. Fast scheint es, als ob Hyperkinese Überlebensstrategie sei zur Rettung eines lebendigen Ich-Gefühls« (Schaff, 2001, S.551). Auf traumatisierende Erfahrungen, die dem zugrunde liegen können, verweisen Pozzi (2001) und Borowski (2002).

Diese Ausführungen bedürfen einer weiteren Spezifizierung. Vieles spricht dafür, dass erregende Beziehungserfahrungen bereits in der frühen Begegnung mit den wichtigsten Bezugspersonen einen überdimensionierten Raum einnehmen. Basquin (2002) betont, dass diese Kinder intensiven äußeren Anregungen ausgesetzt sind. Sie werden stark stimuliert und zu viel- fältigen motorischen Aktivitäten angeregt, nicht selten mit Reizen über- schüttet. Ein intensiver emotionaler Austausch tritt demgegenüber zurück; deshalb unterbleibt auch eine adäquate Besetzung und Spiegelung des Kin- des. Seine seelischen Bedürfnisse werden von der Mutter nicht richtig erkannt. Das Kind selbst nimmt das eigene Erleben und das seiner Mutter un- zulänglich wahr, kann es nur unvollständig übersetzen und kaum in sich bewahren. Es gerät so in einen ungesicherten inneren Zustand, ein psychisches Niemandsland, das fast nur Erregung kennt und nicht mit Bedeutung versehen werden kann. Von besonderem Gewicht ist dabei, dass den Müttern keine Erotisierung des kindlichen Körpers gelingt. Sowohl das Körper- erleben als auch das motorisches Handeln der Kinder erfahren keine dem- entsprechend angereicherte innere Besetzung. Sie bleiben auf bemerkenswerte Weise unintegriert, so als ob sie nicht zur Person gehörten, wie ein Fremdkörper, der automatengleich funktioniert. Diese Kinder laufen mit ihrer ungesteuerten Motorik und ungerichteten Aufmerksamkeit im wahrsten Sinne des Wortes ins Leere. Von Erregung angefüllt, finden sie kein Gegen- über, weder Bindung noch Sicherheit.

Nach Basquin (2002) wird eine Unterbrechung des Kontaktes zum Kind mütterlicherseits als bedrohlich erlebt, weil sie mit Gefühlen von Verlassenheit, Last und Leere verbunden ist. Trennungen, und seien sie nur partiell, können nur schwerlich zugelassen werden. Den Hintergrund dafür bilden Trennungserfahrungen, die als überfordernd erlebt wurden, sowie eine depressiv oder narzisstisch gefärbte Grundstruktur, die zu einem psychischen Rückzug prädestiniert und auf eine Belebung durch äußere Objekte angewiesen ist. Diese Aufgabe fällt dem Kind zu: Es soll ständig präsent sein, die Mutter psychisch beleben und anreichern. Dazu wird es stimuliert und motorisch aktiviert, so dass es ständig Bewegung produziert. Von rastloser Unaufmerksamkeit getrieben, testet es unaufhörlich die Grenzen seines Körpers aus. So verbleibt es permanent im Aufmerksamkeitsfokus des Anderen, tritt ihm niemals nahe, entfernt sich aber auch nicht, da es seinerseits über keine ausreichenden Möglichkeiten zu einer Abgrenzung und Trennung verfügt. Nur Ruhe darf nicht eintreten: »Man kann sogar sagen, dass ein hyperkinetisches Kind ein Kind ist, das sich bewegt, um in den Augen des an- deren und auch in seinen eigenen Augen zu bestätigen, dass es nicht tot ist« (Basquin, 2002, S. 78).

Demnach führen spezifische, unter anderem lebensgeschichtlich bedingte Gründe dazu, dass Kinder in besonderer Weise stimuliert und erregt werden. Sie wird es in gleicher oder ähnlicher Form auch zu früheren Zeiten gegeben haben. Heutzutage allerdings sind sie in einen anderen kulturellen Rahmen eingebunden, der für die Entwicklung des Einzelnen und seine Abwehrmöglichkeiten zahlreiche Folgen nach sich zieht. Er zeichnet sich durch eine nur schwer verarbeitbare Reizintensität und -dichte aus und dadurch, dass er ein Übermaß an Bewegung produziert. Unruhe, Getriebenheit und Zeitknappheit beherrschen weite Teile des Alltagslebens. Verbunden damit ist das subjektive Erleben von Unsicherheit in Zeiten größer gewordener Gestaltungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten, die Sorge vor dem Verlust an haltenden und sichernden sozialen Strukturen. Einige interessante Überlegungen dazu, die Basquins Beitrag weiterführen können, finden sich in Ehrenbergs (2004) Schrift über Das erschöpfte Selbst.

Abschließende Überlegungen

 Depressive Phänomene gelten inzwischen, so Ehrenberg (2004), aufgrund ihrer immensen Verbreitung als die zeittypische Erkrankungsform seelischer Not. Unter den psychischen Erkrankungen nimmt die Depression eine Spitzenposition ein, wobei sich der Depressionsbegriff grundlegend gewandelt hat. Freud sah in einer depressiven Erkrankung noch die Folge eines neuro- tischen Konfliktes, in der die Person als aktiv handelndes Wesen verstrickt ist. Ehrenberg hingegen akzentuiert eine andere, von Konflikten bereinigte Dimension, die eines inneren Mangels. Sie herrscht aus heutiger Sich vor: Im Mittelpunkt stehen Gefühle der Überforderung, Erschöpfung und inneren Leere, die eine stark narzisstische Komponente aufweisen. Sie resultieren aus der Angst, an den gestiegenen Individualisierungsanforderungen zu scheitern und der Sorge davor, sich nicht als umfassend funktionsfähig zu erweisen. Eine Wiederherstellung der inneren Lebendigkeit wird von äußeren Eingriffen erwartet, als eine Reparatur, die die Person möglichst wenig betrifft. Der ansteigende Konsum von Antidepressiva und sich ausweitende Suchtentwicklungen können als wichtige Indikatoren dafür gelten. Ebenso wie die Nutzung von Psychotechniken und Verhaltenstrainings, die Veränderungen versprechen, ohne dass innere Konflikte berührt werden. Auch sie sollen von außen etwas auffüllen, was von innen, aus sich selbst heraus, unmöglich erscheint.

Eine Verbindung zu der von Däuker, Balzer und Bergmann beschriebe- nen zeittypischen Suche nach intensiven Reizen mit einem gesteigerten Be- darf an Erregung liegt hier nahe. Sie soll Fixpunkte für das Erleben auffinden, so dass der Einzelne zumindest eine Zeit lang gebannt ist, seine innere Leere und Erschöpfung weniger spürt und die Hoffnung behält, eine innere Sicherheit und Beruhigung sei doch noch möglich. Doch die Allianz von ei- ner innerlich erzwungenen Reizsuche, die ein Defizit ausfüllen soll und den Anforderungen und Belastungen einer an Sensationen orientierten »erregten Gesellschaft« (Türcke), erweist sich als ausgesprochen unglücklich.  Sie führt kaum jemals zum Ziel, ebenso wenig wie bei hyperaktiven und aufmerksamkeitsgestörten Kindern, die in ihrer unruhigen Suche gefangen bleiben und im wahrsten Sinne des Wortes in eine objektlose Leere laufen.

Erstaunlicherweise nimmt der Mainstream der Hyperaktivitätsforschung den sich rasant wandelnden kulturellen Rahmen so gut wie gar nicht zur Kenntnis. Und auch psychoanalytische Wissensbestände scheinen kaum der Rede wert. Stattdessen wird noch immer von genetisch begründeten Hirnfunktionsstörungen ausgegangen, die nur in einem höchst oberflächlichen Bezug zur Lebensrealität dieser Kinder stehen (Gemeinsame Erklärung internationaler Wissenschaftler, 2005). Der vorhandene Schaden soll durch äußere Eingriffe behoben werden, in genau jenem Auffüllprozess ohne aktive Beteiligung der Person, den Ehrenberg beschrieben hat. Er beinhaltet neben einer Medikamentenvergabe ein Verhaltenstraining, das ausdrücklich symptomorientiert konzipiert ist und die kindliche Innenwelt unberührt lässt. Die entscheidende Frage lautet aber nicht, ob in der Genese von Hyperaktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen auch organische Bedingungsfaktoren eine Rolle spielen können. Dies wird von den Kritikern des Mainstream, die  in  diesem  Beitrag  genannt  sind,  durchaus  anerkannt.  Kontrovers  ist vielmehr, welchen Stellenwert sie einnehmen: Ob sie von überragender Bedeutung sind, mit einigen sekundären Begleiterscheinungen, oder ein Faktor unter vielen, der sich an entscheidenden Punkten der kindlichen Entwicklung intensiv mit den kindlichen Lebenserfahrungen verknüpft. Neuere Ergebnisse der Hirnforschung stützen die zuletzt genannte Möglichkeit. Sie verweisen mit einigem Nachdruck auf das interaktive Verhältnis von Kultur und Natur, Lebenserfahrung und organischer Entwicklung (Hüther, 2006). Dadurch wiederum gelangt die Lebensgeschichte des Kindes zu ihrem eigenen Recht. Seine inneren Konflikte und Strukturen werden auch aus dieser, die Psychoanalyse übergreifenden Sicht zu einer bedeutsamen Größe, eben- so wie die Beziehungsdynamik, in die es eingebunden und durch aktives Zu- tun verstrickt ist. Die Psychoanalyse kann wesentlich zur weiteren Aufklärung  beitragen.  Sie  verfügt,  wie  Leuzinger-Bohleber,  Staufenberg  und Fischmann (2007, S. 381) zutreffend ausführen, „wie kaum eine andere psychologische Theorie[,] über ein reiches Spektrum an Konzeptualisierungen und klinischen Erfahrungen, die gleichzeitig neurobiologische, (unbewusste) biographische und gesellschaftliche Faktoren in den Blick nehmen. Dies bedeutet […] eine einzigartige Chance, die Komplexität der Genese und Manifestationen von ADHS bei heutigen Kindern zu entschlüsseln.“ Der kulturelle Rahmen, in dem Kinder sich entwickeln, ist dabei von beachtenswertem Gewicht. Auch dann, wenn sich beide Seiten – kulturelle und die individuelle seelische Entwicklung – nur bedingt zur Deckung bringen lassen.

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«Wir sind ein Zusammenschluss von namhaften Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen, die sich für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema ADHS einsetzen.»

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«Unsere Vision ist es, die Öffentlichkeit zu ermächtigen, das gegenwärtige schulmedizinische ADHS-Konstrukt kritisch zu hinterfragen und damit der einseitigen Biologisierung kindlichen Verhaltens entgegenzuwirken».

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