Junk Science: ADHS Diagnostik mittels Netzhautreaktion?

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Vielleicht erinnern sich unsere alten Café-Holunder-Hasen noch an die Zeiten, als eine damals bekannte Hamburger Kinderärztin kühn behauptete, ADHS bei Kindern mit einem Blick in deren Augen erkennen zu können. Seither hat die inzwischen verzweifelt wirkende Suche nach einem Biomarker für die objektive Feststellung von ADHS bis heute aber keinen Erfolg gehabt.

Aber immer wieder blitzt eine neue Studie auf, die verkündet, auf dieser Jagd nach dem heiligen Biomarker-Gral dem Ziel nahe gekommen zu sein. Diesmal wird in einer australischen Studie behauptet, man könne ADHS durch Veränderungen der retinalen (netzhautbetreffenden) Signalübertragung im Augenhintergrund (vielleicht)  objektiv diagnostizieren.  Vor 7 Jahren hatte bereits eine Freiburger Forschergruppe festgestellt, dass das retinale „Hintergrundrauschen“ bei ADHS verstärkt sei. Zuvor hatte diese Gruppe allerdings die elektrophysiologische Aktivität der Netzhaut untersucht und keine Veränderung der stimulusgesteuerten neuronalen Aktivität bei Patienten mit ADHS gefunden.

Wir wollen hier die Einzelheiten der beiden Studien aber nicht vertiefen, sondern nur abermals auf die kardinalen methodischen Fehler solcher Studien hinweisen, weshalb man sie in die Rubrik „Junk Science“ einordnen muss: all diese ADHS-Studien ignorieren die Unspezifität der Symptome.

Wenn man Fieber misst, hat man eben nicht Malaria objektiviert; man hat lediglich ein multikausales Symptom quantifiziert.  So auch bei ADHS: die gemessenen Symptome „sind“ eben nicht ADHS, sondern vieldeutige Symptome oder Verhaltensweisen sogar ohne medizinischen Krankheitswert.

In einer solchen Situation kann nur eine sehr sorgfältige Ausschlussdiagnostik etwas weiterhelfen. Und genau dies lassen die beiden Studien wieder vermissen. Während die Freiburger Studie immerhin Störungen der Achse 1 des DSM IV ausschloss, die anderen 4 Achsen (vor allem Achse 4 mit ihren umwelt- und psychosozial bezogenen Störungen) aber links liegen ließ, gab sich die australische Studie da fast gar keine Mühe.

Deshalb ist der Schlusssatz im diesbezüglichen  Beitrag bei ADHS-Deutschland, „die Studie belegt jedoch einmal mehr, dass die ADHS kein Konstrukt aus beliebigen Symptomen darstellt, sondern das Syndrom, das die ADHS aus Impulsivität, Aufmerksamkeitsstörung und Hyperaktivität bildet, eine spezifische neurophysiologische Basis hat…“ falsch. Korrekt muss er heißen: Die Studie belegt einmal mehr, dass Verhaltensweisen wie Impulsivität, Aufmerksamkeitsstörung und Hyperaktivität auch mit neurophysiologischen Prozessen in der Netzhaut einhergehen können“.

Als Biomarker eignet sich dies natürlich wieder einmal nicht.

Hans-Reinhard Schmidt

https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0118271
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35733935/

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