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IFSW Repräsentant an den Vereinten Nationen kritisiert Medikalisierung Sozialer Problemlagen

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Publiziert durch International Federation of Social Workers

Nach dem von der amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft veröffentlichten Diganosehandbuch (DSM-5) gilt ADHS als eine hirnbasierte Erkrankung. Während die Hypothese einer neurologischen Basis von ADHS unbestätigt bleibt, ist die schnelle Ausbreitung solcher Diagnosen jedoch gut dokumentiert. So stieg beispielsweise in Deutschland die Zahl der mit ADHS diagnostizierten Kinder von 5.000 im Jahr 1995 auf 380.000 im Jahr 2008 und erreichte 2012 600.000 (Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie, 2013).

In den USA wurden ab 2011 etwa 6,4 Millionen Kinder (11% der Gesamtbevölkerung) mit ADHS diagnostiziert (Centers for Disease Control and Prevention, 2016). Auch in der Schweiz nehmen die ADHS-Diagnosen bei Kindern zu. Zwar fehlen immer noch verlässliche Statistiken, aber der Gesamtverbrauch von Ritalin spricht für sich: die Schweiz belegt Platz sechs von 190 von der UNO anerkannten Staaten.

Vor diesem Hintergrund zeigte sich der UNO-Ausschuss für die Rechte des Kindes im Jahr 2015 sehr besorgt über "die exzessive Diagnose einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS) und die daraus resultierende Zunahme der Verschreibung von Psychostimulanzien an Kinder, insbesondere von Methylphenidat, trotz zunehmender Hinweise auf die schädlichen Wirkungen dieser Medikamente sowie über Berichte über die Gefahr des Schulverweises von Kindern, wenn Eltern die Behandlung ihrer Kinder mit Psychostimulanzien nicht akzeptieren". Der Ausschuss schlug der Schweiz in seinen abschliessenden Empfehlungen vor, "die Unterstützung für Familien, einschliesslich des Zugangs zu psychologischer Beratung und emotionaler Unterstützung, zu verstärken und sicherzustellen, dass Kinder, Eltern, Lehrer und andere Fachleute, die mit und für Kinder arbeiten, angemessen über ADHS informiert werden".


Pascal Rudin ist Repräsentant an den Vereinten Nationen für IFSW und Generalsekretär der Konferenz ADHS.

Rudin forscht seit 13 Jahren auf dem Gebiet der psychischen Gesundheit bei Kindern. Er hat viele Kinder gesehen, die ein störendes und unsoziales Verhalten an den Tag legen. Rudin setzt sich jedoch gegen eine Pathologisierung und Medikalisierung dieser Kinder ein. Vielmehr soll das Kind im Sinne eines sozialarbeiterischen Ansatzes gesamtheitlich betrachtet werden: "Die Empfehlungen des UNO-Ausschusses für die Rechte des Kindes sind eine wunderbare Einladung an uns Sozialarbeitende, in diesem Bereich aktiver zu werden, da sie im Mittelpunkt dessen stehen, was Sozialarbeitende tun. Der Wert von Ansätzen der Sozialen Arbeit bei der Gestaltung einer besseren Zukunft für alle kann nur schwer überschätzt werden." Gute Gesundheit und Wohlbefinden wurden als eines der UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) identifiziert. Und wie Ban Ki-moon, der ehemalige UNO-Generalsekretär, sagte: "Wir können die SDGs nicht ohne Sozialarbeitende erreichen".

Wie Rudin betont, berücksichtigt ein sozialarbeiterischer Ansatz die Geschichte jedes einzelnen Kindes und erstellt sorgfältig eine Sozialbiographie, bevor er Massnahmen ergreift. Dies hilft, Umweltrisikofaktoren und mögliche Traumata zu identifizieren. Darüber hinaus schauen Sozialarbeitende hinter die möglichen Bedeutungen von "abweichendem Verhalten", um diese Kinder zu verstehen und ihnen zu helfen. Dadurch wird einem verheerenden biologischen Reduktionismus, wie ihn die Medizin zusehends betreibt, entgegengewirkt und das allgemeine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Umfeld in die Betrachtung mit einbezogen. Schliesslich verstehen sich Sozialarbeitende als Kinderadvokaten, um zu verhindern, dass das Kind an den Rand gedrängt wird. Damit wird dem Recht des Kindes auf Selbstbestimmung Rechnung getragen und das Kind befähigt, seine eigenen Entscheidungen zu treffen.

Während die Tendenz zur Pathologisierung von "abweichendem Verhalten" bei Kindern eine lange Tradition hat, war die Entwicklung in den letzten zwanzig Jahren aussergewöhnlich. Noch nie zuvor wurden so viele Kinder einer langfristigen "Therapie" mit Psychopharmaka unterzogen. Diese Entwicklung nimmt immer noch zu und alarmiert Stellen wie die Schweizerische Ethikkommission, den UNO Ausschuss für die Rechte des Kindes und die breite Öffentlichkeit gleichermassen. Vor diesem Hintergrund hat das Schweizer Fernsehen (SRF) einen kurzen Bericht über ADHS in der Schweiz veröffentlicht, der zwei Kommentare von Pascal Rudin enthält. Sein Fazit: "Es ist sehr schön, dass die Arbeit des IFSW an der UNO, aber auch die tägliche Praxis Sozialer Arbeit in diesem Bereich, nun von der Schweizer Regierung anerkannt wurde".

Pascal Rudin, SRF Interview
Pascal Rudin forscht derzeit im Bereich der psychiatrischen Sozialarbeit in Bengaluru, Indien. Hier fanden auch die Dreharbeiten statt. 

Link zum TV Beitrag (Schweizerdeutsch)

Dies ist eine Übersetzung des IFSW Originalartikels (Englisch)

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